Es geht um eine neue Haltung, und das üben wir gerade.

Doris Rothauer im Gespräch mit Angelika Fitz, Direktorin des Az W Architekturzentrum Wien

Corona hat nicht nur einen Stillstand bewirkt, sondern auch sehr viele Fragen aufgeworfen, wie es künftig weitergehen kann und soll. Wie denkt das Architekturzentrum darüber? Welche langfristigen Veränderungen wird es geben, vor welchen Herausforderungen steht man?

Wir beschäftigen uns seit Jahren mit zwei zentralen Themen:  Klimawandel und Umgang mit Ressourcen sowie gebaute Verteilungsgerechtigkeit. Ich glaube, jetzt ist noch mehr Menschen klar, wie wichtig diese Themen sind und insofern fühlen wir uns bestätigt. Wir werden diese Themen weiterführen und eher noch radikalisieren. (…)

Wir bauen unsere digitale Kompetenz weiter aus. Unsere täglichen inhaltlichen Beiträge auf Facebook und Instagram sind sehr gut angekommen, besonders die fundierte und doch unterhaltsame Serie zur österreichischen Architekturgeschichte, aber auch partizipative Projekte, wie der Sammlungsaufruf #wiewircoronawohnen. Wir haben die Anzahl unserer Follower stark ausgebaut. Auch in der internen Arbeit im Projektmanagement, in den Teamsitzungen setzen wir natürlich verstärkt auf digitale Tools, auch wenn diese den persönlichen Austausch nie ganz ersetzen können.  (…)

Was in der internationalen Zusammenarbeit bleiben wird, dass man nicht immer alle ExpertInnen einfliegen muss. Das ist ein Lerneffekt. Das heißt nicht, dass man jetzt alles digital macht, auf keinen Fall, aber es ist eine Option, die funktionieren kann. (…)

Gleichzeitig haben wir während Corona gespürt, wie wichtig die analoge Begegnung ist, wie groß die Sehnsucht danach ist. Das ist eine der ganz wichtigen Erfahrungen. Der Ausbau der digitalen Kompetenz ist gut und wichtig. Aber die Sehnsucht nach dem physischen, analogen Erlebnis ist groß, und es ist eine gute Zeit, um über die Qualitäten und Mängel von Räumen zu reflektieren, seien es Wohnungen oder öffentliche Räume. (…)

Gesellschaftlich, ethisch geht es um eine neue Haltung und das üben wir gerade. Wir müssen alle Masken tragen, nicht um uns selber zu schützen, sondern um die anderen zu schützen. Das ist eine solidarische Geste, aber auch eine Zwangsübung, in die wir kollektiv verstrickt sind. Diese Haltung des Sorgetragens und der Solidarität, das auszudehnen auf alle gesellschaftlichen Themen und darüber hinaus auf unseren Planeten und auf unser Verhältnis zur Natur, das ist uns ein großes Anliegen.

Was kann man als Museum, als Ausstellungsinstitution bewirken? Kann man Einfluss auf die Haltung der BesucherInnen haben, zum Beispiel in Richtung nachhaltiges und solidarisches Denken und Handeln?

Ich stehe dazu, dass wir als Museum nicht einfach eine neutrale Plattform sind, sondern dass wir eine Haltung haben! Wir setzen Themen, wir initiieren Diskussionen, wir wollen Bewusstsein bilden. (…)

Wir arbeiten als Museum auf verschiedenen Ebenen, und wir richten uns an ein sehr breites Publikum, also nicht ausschließlich an ein Architekturpublikum. Gerade die Disziplinen Architektur und Stadtentwicklung betreffen uns alle, ob wir wollen oder nicht. Wir sind alle in einer gebauten Umgebung. Wenn ich mich nicht mit Kunst beschäftigen will, dann zwingt mich niemand dazu. Aber in Architektur zu sein, das werde ich kaum vermeiden können, außer ich ziehe mich in die Wälder zurück. (…)

Mein Leitgedanke und meine Leitfrage ist: Was kann Architektur? Oft wird ja in Architekturmuseen gefragt, was ist Architektur? Da schwingt immer mit, was ist gute Architektur, mit dem Zeigefinger. Was mich vielmehr interessiert, ist, was kann Architektur. Das für das Publikum, den Besucher spürbar zu machen. Zu erkennen, es macht einen Unterschied, wie ich Dinge plane. Das hat einen Impact auf die Lebensqualität, das Klima, die sozialen Zusammenhänge, die kulturelle Identität.

Wie kann man diese Art der Wirkung evaluieren, und als Erfolg darstellen?

Die klassischen Tools reichen vom BesucherInnenbuch bis zu BesucherInnenbefragungen. Ganz wichtig sind für uns Führungen, dass man immer wieder mit den VermittlerInnen über ihre Erfahrungen spricht und dass auch die KuratorInnen oder ich als Direktorin regelmäßig Führungen machen. Was sind die Fragen, die kommen? Was berührt die Menschen? Welche Diskussionen werden geführt? Aber auch Rückmeldungen zu Verständlichkeit und Anschaulichkeit. Eine besondere Rolle spielt für mich die Aufsicht, die bei uns keine externe Firma ist, sondern größtenteils angehende ArchitektInnen, die sich sehr für die Ausstellungsthemen interessieren und die sehr gerne mit den BesucherInnen reden.

Natürlich wäre es wünschenswert, wenn es mehr öffentliche Unterstützung für eine professionelle Wirkungsforschung geben würde. Ich denke, in diese Richtung müssen wir gehen. (…)

Die Besucherzahlen kommunizieren wir, weil sie nachgefragt werden. Aber wir betten sie ein, in eine inhaltliche Erzählung. Wir sagen: Das war für uns das Wichtigste im letzten Jahr. Diese Themen haben wir erfolgreich platziert. Die Zahlen kommen dann der Vollständigkeit halber.